Praxisintegrierte Ausbildung zum:r Erzieher:in am Berufskolleg Stadtmitte

Ausbau der Fachschule für Sozialpädagogik

Der Beruf der Erzieherin und des Erziehers ist ein schöner und anspruchsvoller Beruf mit sehr guten Zukunftsperspektiven:

Trotz der im letzten Jahr gestarteten Fachkräfteoffensive fehlt immer noch bei allen Trägern ausgebildetes Personal. Die Bertelsmann-Stiftung prognostiziert aktuell bis zum Jahr 2030 einen bundesweiten Mangel von 230.000 Fachkräften.

Das Berufskolleg Stadtmitte bildet seit Jahrzehnten Erzieherinnen und Erzieher in Kooperationen mit verschiedenen Trägern in Mülheim und angrenzenden Städten aus. Seit Beginn des Schuljahres 202O/2021 können interessierte Frauen und Männer die praxisintegrierte Ausbildung zum*r Erzieher*in Mülheim machen.

Diese Ausbildungsform ist anspruchsvoll, da an zwei Tagen Unterricht von 7.30 Uhr bis 16.15 Uhr stattfindet und die Studierenden an drei Tagen in einer Einrichtung arbeiten, mit der ein Arbeitsvertrag über drei Jahre geschlossen wird.

Aber es gibt sehr viele Vorteile für die Studierenden

  • Aufwertung des Berufsbildes durch bezahlte Ausbildung in Anlehnung an TVAöD, besonderer Teil Pflege (1. Jahr: 1140,69 €, 2. Jahr 1207,07 €, 3. Jahr: 1303,38 € + Abschlussprämie 400,00 €)
  • Stärkung der Motivation
  • Verringerung notwendiger Nebenbeschäftigungen
  • Enge Verzahnung der Lernorte Praxis und Schule
  • Schwerpunktsetzung auf ein Arbeitsfeld nach Wahl (Tageseinrichtungen, offene Ganztagsgrundschulen, Einrichtungen der stationären Jugendhilfe…)
  • Mitarbeit in einem festen Team über drei Jahre
  • Chance neue Impulse in die Einrichtungen zu tragen
  • Kennenlernen eines weiteren Arbeitsfeldes durch ein weiteres Praktikum
  • Vollständiger Berufsabschluss nach drei Jahren Ausbildung (Examen und Kolloquium)

Dass die neue Ausbildungsform sehr gut angenommen wird, zeigen die steigenden Anmeldezahlen:

Während im ersten Ausbildungsjahr 18 Studierende gestartet sind (was vor allem daran lag, dass viele Träger das Finanzierungskonzept noch nicht abgeschlossen hatten), haben im August 2021 dreißig Studierende die praxisintegrierte Ausbildung begonnen. Weitere Interessenten konnten leider nicht berücksichtigt werden. Für das kommende Schuljahr gibt es bereits viele neue Interessenten.

Die Lerngruppen setzen sich sehr vielfältig zusammen, was die Arbeit aller bereichert: Die Anzahl der Männer hat sich deutlich gesteigert: Während im ersten Jahr nur drei Männer gestartet sind, liegt der Anteil der Männer nun bei zehn Erziehern. In beiden Klassen ergänzen sich junge und ältere Studierende (18 bis 53 Jahre).

Neben den mindestens sechs Wochen Erfahrung durch ein Praktikum prägen die Lerngruppe unterschiedlichste Vorerfahrungen: Ausbildung als Kinderpfleger*in, alternative abgeschlossene Berufsausbildungen, abgeschlossene oder abgebrochene Studiengänge, soziale Jahre im In- und Ausland, Vorerfahrungen als Alltagshelfer*in oder Integrationshelfer*in.

Die begleitenden Praktika finden in verschiedenen Arbeitsfeldern statt.

Insgesamt profitieren alle an der Ausbildung Beteiligten sehr von der engen Theorie-Praxiserfahrung.

  • Die Studierenden können wöchentlich ihre Erfahrungen in der Praxis in der Schule theoriegeleitet reflektieren, neue Ideen ausprobieren und optimieren.
  • Die kooperierenden Einrichtungen erhalten neue Impulse und „frischen Wind“, da ein Mitglied des Teams in einer Art Dauerfortbildung ist.
  • Die Fachschule für Sozialpädagogik erhält durch die kontinuierliche Kooperation und den Austausch mit der Praxis wichtige Hinweise zur Ausgestaltung der didaktischen Jahresplanung.

Aussagen der Studierenden:

Ich habe mich für PIA entschieden, weil…

„ich es gut finde, dass Theorie und Praxis verbunden sind“ (Kristina, Kinderpflegerin)

ich von und mit Kindern lernen kann“ (Christina, berufliche Vorerfahrungen)

„ich Inhalte aus der Schule sofort umsetzen kann“ (Hannah, Abiturientin)

„ich so gute Zukunftsperspektiven habe“ (Seda, Abiturientin)

„es für mich als Quereinsteiger eine großartige Möglichkeit darstellt“ (Gereon, Historiker)

„ich meine Fachkompetenzen praxisnah erweitern kann“ (Andre, Berufswechsler)

„das Gehalt meine Arbeitsmotivation steigert“ (Tabea, Kinderpflegerin)

„man einfacher und näher an das Berufsfeld herangeführt wird“ (Sara, Abiturientin)

„man Praxiserfahrungen durch die tägliche Arbeit sammelt“ (Tom, Fachabiturient)

„bereits eine Ausbildung absolviert habe und so direkt neue Erfahrungen in der zweiten Ausbildung sammeln kann“ (Sofia, Steuerfachangestellte)

Gut gefällt mir an der PIA…

„die enge Zusammenarbeit zwischen Schule und Praxisstelle sowie das Gefühl immer unterstützt zu werden“ (Sara, Abiturientin)

„die direkte Theorie-Praxis-Verzahnung, die mir Raum gibt selbstsicher Verantwortung zu übernehmen“ (Sarah, ehemalige Studentin)

„dass man zu Anfang des Jahres die Übersicht über die Anforderungen bekommt“ (Hanna, Fachabiturientin)

„dass man Gelerntes sofort anwenden kann“ (Melissa, Alltagshelferin)

„dass ich mich für meine Praxis noch mehr qualifizieren kann“ (Umschülerin)

„dass die Tage und Wochen so abwechslungsreich sind“ (Jana, Fachabiturientin)

„dass ich gelichzeitig lernen und arbeiten kann“ (Soji, Zuwanderer auch Indien)

„dass durch den kontinuierlichen Theorie-Praxis-Transfer die Wissenszirkulation in alle Richtungen gewährleistet ist“ (Sandra, Tagesmutter)

Stellungnahme der Leiterin einer kooperierenden Einrichtung

Villa Kunterbunt – Frau von der Heiden

„Im August 2021 nahm eine Auszubildende im Rahmen der „Praxisintegrierten Ausbildung (PIA)“ ihre Tätigkeit im städtischen Familienzentrum „Villa Kunterbunt“ auf.

Wir freuen uns sehr, diese Auszubildende die nächsten 3 Jahre begleiten zu können.

Die „Praxisintegrierte Ausbildung“ ist eine attraktive Alternative zur klassischen Erzieher*in-Ausbildung, einerseits durch die verkürzte Ausbildungszeit und andererseits durch den Erhalt einer Ausbildungsvergütung.

Diese Form der Ausbildung bietet zukunftsorientierte Anreize, diesen pädagogischen Beruf zu ergreifen und dem Fachkräftemangel in den Tageseinrichtungen für Kinder entgegen zu wirken. Vor allem auch für Berufsquereinsteiger*innen ist diese Ausbildungsform eine optimale Möglichkeit, Familie und Ausbildung zu vereinbaren.

Es handelt sich um eine intensive und anspruchsvolle Ausbildung, die vom Auszubildenden eine positive, wertschätzende Haltung, Selbstorganisation und Reflexion erfordert.

Der organisatorische Zeitrahmen ist intensiv für beide Seiten, um alle erforderlichen schriftlichen und praktischen Aufgaben planen, umsetzen und reflektieren zu können.

Es bestehen viele Vorteile für die Auszubildenden: Zum einen wird ein kontinuierlicher Austausch mit dem/der Praxisanleiter*in umgesetzt. Zum anderen ein direktes Zusammenspiel von Theorie und Praxis erwartet. Das theoretische Wissen kann immer zeitnah umgesetzt und Erlerntes somit besser gefestigt werden. Der hohe Anteil an Praxistagen ermöglicht es, sehr vielfältige, intensive praktische Erfahrungen zu sammeln und eine konstante Beziehungsebene zu den Kindern aufzubauen. Der/die Auszubildende wird von den Kindern als Bezugsperson wahrgenommen.

Durch die dreijährige Ausbildung erhält der/die Auszubildende in allen Bereichen einen intensiveren Einblick in das Berufsbild z. B. das pädagogische Konzept der Tageseinrichtung für Kinder, die Art der Dokumentation, die Zusammenarbeit mit Eltern, der Umgang mit Festen und Feiern. Der/die Auszubildende wird schrittweise in die Aufgaben eingearbeitet und kann im Verlauf der Ausbildung perspektivisch und am individuellen Ausbildungsstand orientiert feste Bereiche und Verantwortlichkeiten übernehmen. Die Umsetzung der Verantwortlichkeiten bietet dem/der Auszubildenden die Möglichkeit, sich im Bereich der Persönlichkeit, dem Verantwortungsbewusstsein, der Zuverlässigkeit, dem Selbstwertgefühl und der Selbstständigkeit zu stärken und zu festigen. Diese Kompetenzen sind wichtige Ressourcen für die Ausübung des Berufes, welche nach Ausbildungsende abgerufen werden.

Die Tageseinrichtung für Kinder bzw. der/die Praxisanleiter*in begleitet, beobachtet und unterstützt den Entwicklungsprozess.“

erschienen in: Mülheim an der Ruhr – Jahrbuch 2022

Fotos: Walter Schernstein